Verladerverantwortung im Handel?! Ja oder Nein?

In §22 StVO wird verlangt, dass die Ladung gesichert werden muss. Der Paragraph benennt dabei keine verantwortliche Person. Sicher ist, dass neben dem Fahrzeugführer und dem Fahrzeughalter auch der Verlader – der sogenannte „Leiter der Ladearbeiten“ – ebenfalls verantwortlich ist. Dazu gibt es neben dem Grundsatzurteil des OLG Stuttgart (AZ: 1 Ss 858/82 vom 27.12.1982) seit dem 28.11.2007 (AZ: 2 BvR 791/07) auch eine Bestätigung des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe. Gibt es aber die Verladerverantwortung im Handel? Ja oder nein?

Verladerverantwortung im Handel: ja oder nein?

Diese Urteile berufen sich rein auf die Verantwortung im Speditions- und Transportgewerbe.  Doch wie sieht es etwa im Einzelhandel aus? Was ist, wenn der Mitarbeiter im Gartencenter aus reiner Freundlichkeit einem Kunden beim Beladen der neuen Gartenmöbel in den PKW hilft? Gibt es einen verantwortlichen Verlader beim normalen Wochenendeinkauf im Getränkemarkt? Wie ist die Regelung in Baumärkten, wenn der Kunde seinen Eimer Farbe an der Kasse bezahlt und geht oder wenn im Drive-In der Baumarktmitarbeiter die Palette voller Pflastersteine mit dem Gabelstabler auf den Anhänger lädt?

Bis dato gibt es noch kein klares Gerichtsurteil zu solch alltäglichen Fa(e)llen. Die Rechtsprechung und die Gesetze sind dazu dennoch relativ eindeutig.

Wann ist der Händler Verlader und wann nicht?

Nehmen wir dazu zwei praktische Beispiele: Zum einen den Farbeimer an der Kasse. Der Kunde geht vor dem Renovieren in den Baumarkt und kauft Farbe, Tapeten und sonstiges Kleinmaterial. Das Ganze macht er mit dem Durchlauf durch die Gänge und mit dem Beladen seines Einkaufswagens. An der Kasse wird gezahlt und der Kunde geht mit dem Einkaufswagen zu seinem Auto. Er belädt selbst, kein Mitarbeiter des Baumarktes hilft ihm dabei. Er belädt ohne Hilfsmittel, und die Farbeimer stehen genauso frei im Kofferraum, wie die Tapetenrollen sich bewegen können. Ein normales Bild auf den Parkplätzen der Baumärkte, Getränkehandel und im Sofortmitnahmemöbelhaus sowie in vielen anderen Einzelhandelshäusern.

Sollte der Kunde nun in eine Kontrolle kommen, ist er als Fahrzeugführer in der Verantwortung.  Denn der Kontrollbeamte sieht, dass die einzelnen Teile frei und ungesichert im Kofferraum stehen bzw. umherfliegen. Der Kunde wird ein Bußgeld nach §23 StVO bekommen, da er die Ladung nicht gesichert hat. Denn die StVO gilt nicht nur für den gewerblichen Güterverkehr. Sie gilt für jeden, der am Straßenverkehr teilnimmt.

Die eigentliche Frage bleibt jedoch, wie weit der Baumarkt nun in die Verantwortung als Verlader gezogen werden kann. Und in diesem Beispiel gibt es keinen klassischen Verlader. Der Kunde kauft und belädt selbst, ohne dass jemals ein Mitarbeiter beim Beladen mitgeholfen oder zugeschaut hat. Auch werden dabei keine regelmäßigen Kontrollen durch den Baumarkt auf ordnungsgemäße Ladungssicherung durchgeführt.  Müssen sie auch nicht, da keiner Einfluss auf die Beladung hat. Daher ist der Kunde hier voll und ganz alleine in der Verantwortung. Hier ist der Händler als Verlader also nicht in die Verantwortung zu ziehen.

Mithelfen bedeutet Verantwortung!

Nehmen wir als zweites Beispiel ein Gartencenter oder Möbelhaus und eine neue Ausstattung an Gartenmöbeln. Ein Tisch und vier Klappstühle sollen ausgepackt und zusammengeklappt in den privaten PKW geladen werden. Der nette Verkäufer hilft dem Kunden beim Laden in das Auto und packt sogar mit an. Hilfsmittel zur Ladungssicherung werden natürlich nicht genutzt. Die obersten Gartenstühle sind offensichtlich so geladen, dass sie bei einer Vollbremsung dem Fahrer auf den Hinterkopf schlagen.

Jetzt geht es in die allgemeine Straßenverkehrskontrolle. Der freundliche Beamte erkennt sofort, dass die obere Reihe freiliegt und eine echte Gefahr für den Fahrer und den Straßenverkehr darstellen. Der Beamte versucht dem Fahrer deutlich zu machen, was passiert, wenn ihm durch eine Vollbremsung – die der Käufer ja nicht unbedingt verursacht haben muss – die Stühle „um die Ohren fliegen“.

Was nun? Der Mitarbeiter in dem Gartencenter hat beim Beladen mit angepackt und zieht den Geschäftsführer des Gartencenters mit in die Verantwortung als „Leiter der Ladearbeiten“. In den allermeisten Fällen können wir davon ausgehen, dass der Mitarbeiter auf eine ordnungsgemäße Ladungssicherung nicht geschult wurde. Nun ist der Geschäftsführer persönlich in der Haftung und steht mit mindestens 60 € Bußgeld und 1 Punkt im Flensburger Verkehrsregister gerade.

Was tut der Händler, um die Verantwortung „loszuwerden“?Verladerverantwortung Einzelhandel

Anhand des zweiten Beispiels stellt sich die Frage, wie der Geschäftsführer seiner Verantwortung gerecht wird oder diese delegieren kann. Grundsätzlich wird er seine Verantwortung niemals los. Es gibt nun „ganz schlaue“ Märkte, die versuchen, die Verantwortung schriftlich abzulehnen.  Dazu werden entsprechende Texte auf Quittungen (siehe Bild) gedruckt.

Doch ist damit der Baumarkt und sein Leiter die Verantwortung los? Dazu ein ganz klares „Nein“!

Auch Verträge zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer über die Verantwortung zur Ladungssicherung sind nichts wert, wenn nicht regelmäßig kontrolliert wird, ob die Ladungssicherung durch die beauftragten und befähigten Mitarbeiter ordentlich durchgeführt wird. Dazu hat das OLG Bamberg (Beschluss vom 12.06.2013 – 2 Ss OWi 659/13) entschieden, dass durch den Verantwortlichen oder seine beauftragte Person einmal im Monat die ordnungsgemäße Durchführung der Ladungssicherung überprüft und dokumentiert werden muss. Dabei ist auch eine positive Kontrolle zu dokumentieren.

Wie kann man den Kunden einbinden?

Doch wie kann man den Verlader im Einzelhandel finden/benennen? Als Geschäftsführer wird man niemals die volle Verantwortung ablegen können. Dennoch ist eine saubere und schriftliche Delegation das A und O dabei. Trotz der Delegation muss der Mitarbeiter immer wieder und regelmäßig kontrolliert werden. Das verlangen die unternehmerischen Pflichten.

Sicher ist eine Möglichkeit, dem Kunden Hilfsmittel zur Ladungssicherung  anzubieten. Aber der Kunde sollte durch das Personal, das beim Beladen hilft, zumindest grob unterrichtet werden – über seine Verantwortung und die Möglichkeiten zur Ladungssicherung. Dazu sollte das Personal entsprechend geschult sein. Es ist dabei egal, ob es sich um einen Baumarkt, Getränkeladen oder was auch immer handelt.

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2 Gedanken zu „Verladerverantwortung im Handel?! Ja oder Nein?

  1. Guten Tag,
    ich muss mal zu Ihrem Text Stellung beziehen, da ich davon ausgehe, dass sie einem rechtlichen Irrtum unterliegen.

    Der erste Teil, der Farbeimer aus dem Baumarkt, wurde von Ihnen korrekt beschrieben.
    Alleinverantwortung beim Halter/Fahrer.
    Der zweite Teil, die Klappstühle und der Tisch wurden leider rechtlich nicht korrekt aufgeführt.
    Auch hier bleibt die Verantwortung ausschliesslich beim Halter/Fahrer.
    Kein Baumarktleiter oder -mitarbeiter trägt hier irgendeine Verantwortung.
    Die Anmerkungen die auf dem aufgeführen Kassenbon stehen sind dafür rechtlich sehrwohl richtig.
    Der Gefahrenübergabg der Ware hat mit aushändigen stattgefunden.
    Ab diesem Zeitpunkt hat der Baumarkt keinerlei Rechte mehr an der Ware. Somit auch keinerlei Pflichten. Ab jetzt ist nur der Fahrzeugführer verantwortlich.

    Man darf die Situation nicht mit dem gewerblichen Güterverkehr gem. HGB verwechsel.

    Passiert nur leider häufiger, damit wird den Mitarbeiternm im Baumarkt eine vermeindliche “Mitverantwortung” aufgetragen, die so nicht existiert.

    Mit freundlichen Grüßen

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