
Ein Gespräch mit Raymond Lausberg, ehemals Leiter der Schwerlastgruppe der Autobahnpolizei
Nach 47 Jahren im Dienst, davon drei Jahrzehnte als Leiter der Schwerlastgruppe, blickt Raymond Lausberg auf ein bewegtes Berufsleben zwischen Kontrolle, Verantwortung und unzähligen Begegnungen mit dem europäischen Güterverkehr zurück. In unserem Interview spricht er offen über Missstände, typische Fehler und dramatische Unfälle, die ihn bis heute prägen.
Er erklärt, warum der Verlader für ihn die Schlüsselfigur der Ladungssicherung ist, welche fatalen Folgen Unwissenheit und Zeitdruck haben – und warum konsequente Kontrollen für mehr Sicherheit auf Europas Straßen unerlässlich sind. Lausberg teilt eindrückliche Erfahrungen, klare Forderungen und praxisnahe Empfehlungen für Fahrer, Verlader und Transportunternehmen.
Ein Interview, das zeigt: Ladungssicherung ist weit mehr als eine Vorschrift – sie ist gelebte Verantwortung.
„Ladungssicherung ist keine Kür – sie rettet Leben.“
Raymond, dein letzter Arbeitstag war am 6. Dezember 2024. Wie bewertest du nach fast fünf Jahrzehnten im Dienst die aktuelle Situation der Ladungssicherung im europäischen Fernverkehr?
Leider hat sich die Situation in den letzten Jahren nicht verbessert. Nach den verpflichtenden BKF-Schulungen hatte ich noch die Hoffnung, dass sich einiges im Bereich LaSi verbessern würde. Die Unwissenheit einiger Fahrer war doch sehr beängstigend. Hinzu kommt natürlich, dass der Preisdruck im Transport, besonders nach der Ost-Erweiterung, immer größer wurde. Kommunikationsprobleme zwischen Verlader / Fahrer erschweren natürlich auch die Arbeit.
Aus polizeilicher Sicht vermisse ich selbstverständlich eine höhere Kontrolldichte sowie eine strengere Beanstandung. Hier sollte man aber nicht mit Bagatellverstößen versuchen, die Statistik zu beschönigen.
Welche typischen Fehler bei der Ladungssicherung fallen dir bei Lkw besonders häufig auf?
Ich vermisse oft ein eklatantes Fehlen der Grundkenntnisse einer guten Ladungssicherung. Es fängt schon beim Hersteller an, der nicht immer eine transportfähige Ware übergibt. Dem Verlader werfe ich auch vor, dass zu oft – dem Zeitdruck („just in time“) geschuldet – für seine Ladung ungeeignete Fahrzeuge beladen werden. Das Transportunternehmen spart an qualitativ hochwertigen Sicherungsmitteln. Dem Fahrer, der übrigens das schwächste Glied in der Kette ist, sollte bewusst sein, dass er bei einer Kontrolle oder, noch schlimmer, bei einem Unfall der Erste ist, bei dem man versucht, ihn in die Verantwortung zu nehmen.

Unfälle durch mangelnde Ladungssicherung
Kannst du ein besonders eindrückliches Praxisbeispiel schildern, in dem mangelhafte Sicherung unmittelbar gefährlich wurde oder wo eine Kontrolle erfolgte?
In 47 Jahren als Autobahnpolizist, davon 30 Jahre als Leiter der Schwerlastgruppe, sind es sogar mehrere! Während dieser Zeit hatte ich durch mangelnde Ladungssicherung insgesamt acht Tote zu beklagen. Besonders einer mit gleich drei Toten – und einer mit zwei Toten am 27.10.1997. Dieser letzte Unfall (Foto oben) hat auch dazu geführt, dass ich mich noch intensiver mit dem Thema Ladungssicherung beschäftigt habe.
Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten rechtlichen oder organisatorischen Verantwortlichkeiten im Bereich Ladungssicherung – bei Fahrer, Verlader, Transportunternehmen?
Ich bin überzeugt, dass der wichtigste Verantwortliche eindeutig der VERLADER ist. Wenn wir ihn verstärkt davon überzeugen könnten, wenn nötig auch mit entsprechenden Bußgeldern (in Belgien übrigens 3.000 €), dass er eine Beladung bei einem ungeeigneten Fahrzeug / ohne geeignete Zurrmittel verweigern MUSS, dürften wir morgen sichere Straßen haben.
Wenn du heute einen konkreten Rat an Verlader oder Transportunternehmen geben könntest – was wäre deine wichtigste Empfehlung zur Verbesserung der Ladungssicherheit?
Unterschätzt die entstehenden Kräfte bitte nicht. Saubere Ladenflächen, das Benutzen von Antirutschmatten, Blockieren der Ladung nach vorne, geeignete Sicherungsmittel und Fahrzeuge ermöglichen erst eine verkehrssichere Ladung.
Ladungssicherung: Manche Lkw betteln um Kontrolle
Raymond, Hand aufs Blaulicht: Wie oft hast du beim Blick auf eine Ladung gedacht: „Das hält doch höchstens bis zur nächsten Bodenwelle“ – und wie oft hattest du Recht?
Eher hatte ich gedacht, dass das doch höchstens bei langsamer Fahrt nur bis zur Kontrollstelle hält. Meinen Kollegen sagte ich dann immer, dass der LKW uns bereits zuruft: Bitte, bitte, halte mich an und kontrolliere mich!
Wärst du Verkehrsminister für einen Tag: Welche verrückte, aber effektive Maßnahme würdest du sofort zur Pflicht machen – z. B. eine „Spanngurt-Führerscheinprüfung“ für alle Fahrer?
Ich bin für konsequente Kontrollen, besonders den Bereichen Sozialdumping und Ladungssicherung wird nicht die nötige Aufmerksamkeit entgegengebracht. Die Kontrolldichte in Europa wurde in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt. Ein Bußgeld muss wirksam sein und darf nicht mal schnell aus der Kaffeekasse bezahlt werden.
Ich bin kein Freund von Kollegen, die kleine Verstöße beanstanden. Das dient in erster Linie dazu, Statistiken zu beschönigen. Aber ab dem Moment, wo man andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr bringt, besonders bei der Ladungssicherung, hört für mich der Spaß auf. Das gilt natürlich auch für den Bereich Sozialdumping.
Das würde ich gerne einfordern.
Wie oft hörst du bei Kontrollen Ausreden, bei denen du innerlich sagen musst: „Dafür gibt’s eigentlich einen Pokal – aber keinen Freifahrtschein“?
Wenn man den Fahrer vernünftig und sachlich erklärt, was man bemängelt, sind die meisten einsichtig. Immer habe ich versucht, gegen Transportunternehmen und Verlader vorzugehen. Natürlich ist klar: Wenn, wie erlebt, der Fahrer seinen 25-Tonnen-Bagger ohne jegliche Ladungssicherung fährt und er bei der Kontrolle die neuen Ketten im Staukasten liegen hat, ist es schwer, dass er unbestraft weiterfahren kann.
Auch viele Beispiele für gute Ladungssicherung
Hast du je einen Lkw so perfekt gesichert gesehen, dass du am liebsten spontan applaudiert hättest oder sogar ein „LaSi-Sternchen“ vergeben wolltest?
Wir haben zum Glück viele Unternehmen, die sehr gewissenhaft mit der Ladungssicherung umgehen. Dieser professionelle Umgang mit der Ladung ist lobenswert und bestärkt einen darin, noch konsequenter gegen die Unseriösen vorzugehen.
In meinem letzten Berufsjahr hatten wir bei zwei Unternehmen ihre Fahrzeuge mehr als eine Woche lang die Weiterfahrt untersagen müssen, bis die Ladung wieder ordnungsgemäß war. Solche Maßnahmen bewirken bei vielen Unternehmen später meistens ein Umdenken.
Hast du je daran gedacht, deine spektakulärsten Kontrollen in einem „Lausberg’s LaSi-Logbuch“ zu sammeln – oder als Comedy-Programm auf Tour zu gehen?
Seit Jahren schicke ich meine Bilder zum GDV und zum KLSK – das ist mein Beitrag zur Verbesserung der Ladungssicherung. Das erste Bild war im Jahr 2002. Mittlerweile sind es gut 40 Bilder des Monats.
Ich denke, dass wir es den Opfern schuldig sind, nicht tatenlos zuzuschauen.
Nach acht Toten, zahlreichen Verletzten und riesigen Staus ist mir das Lachen in dieser ernsten Sache gewaltig vergangen.

Fazit
Raymond Lausberg hat in fast fünf Jahrzehnten Dienst erlebt, wie eng Sicherheit, Verantwortung und Menschlichkeit im Transportwesen miteinander verknüpft sind. Seine Erfahrungen zeigen eindrücklich, dass Ladungssicherung kein lästiger Formalakt, sondern eine lebenswichtige Pflicht ist – für Fahrer, Verlader und Unternehmen gleichermaßen.
Trotz moderner Technik, Schulungen und Normen bleibt die Realität oft ernüchternd: Zeitdruck, Kostendruck und Unwissen führen weiterhin zu vermeidbaren Gefahren auf Europas Straßen. Lausbergs Appell ist eindeutig: mehr Bewusstsein, mehr Qualität, mehr Konsequenz bei Kontrollen. Denn am Ende geht es nicht um Bußgelder oder Statistiken, sondern um das, was wirklich zählt: Menschenleben zu schützen.
Möchten Sie mehr wissen zum Thema Ladungssicherung? Schauen Sie gerne hier in den ➡ Überblick zu unseren aktuellen Lasi-Schulungen – und die Termine der Seminare, die in diesem Jahr noch folgen.
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Ein Gedanke zu „Interview zur Ladungssicherung: „Wir sind es den Opfern schuldig, nicht tatenlos zuzuschauen.““
Danke für dieses tolle Interview.