Mehr Wertschätzung für Paketzusteller – ein Weihnachtsmärchen?

Jetzt vor Weihnachten wird wieder eine Berufsgruppe besonders sichtbar: die Paketzusteller. Im Interview mit Fachjournalist René Wagner spricht Ladungssicherungsexperte Michael Girbes über „Tetris für Erwachsene“, faire Arbeitsbedingungen und über mangelnde Wertschätzung den Menschen gegenüber, die uns unsere Geschenke nach Hause bringen.

Michael, es ist fünf Jahre her, dass du in deinem Blog schon über mangelnde Wertschätzung für Paketzusteller geschrieben hast. Warum liegt dir das Thema so am Herzen?

Wer meine Vita kennt, der weiß, dass ich Mitte der 1990er-Jahre schon als Zusteller bei einem großen deutschen Paketlogistiker gestartet bin. Bis Ende 2017 habe ich dann in der Paketbranche in verschiedenen Aufgaben gearbeitet. Zum Schluss war ich dafür mitverantwortlich, dass in den Depots nach den externen Zertifizierungs- und Überwachungsaudits die Zertifikate immer noch „an der Wand blieben“.

Michael Girbes

Dazu habe ich sicherlich einen gehörigen Einfluss auf die aktuellen Ladungssicherungssysteme bei dem einen oder anderen Paketdienst nehmen können.

In meinen Projekten kommt heute noch immer eine Menge Negatives rüber. Kunden und Seminarteilnehmer schimpfen über die Qualität der Zustellung. Zugleich sind sie aber auch nicht bereit, mehr für den Versand oder die Zustellung zu zahlen. Oder wollen nicht in Kauf nehmen, dass die Pakete in Shops untergebracht werden.

Den Paketzustellern haben wir es zu verdanken, dass unsere online gekauften Geschenke sicher zur Hause ankommen. Aber ist die Ladungssicherung wirklich immer ideal? Welche Probleme siehst du, und hat sich in den letzten Jahren vielleicht auch einiges verbessert?

Die Paketdienstleister haben sich in den Jahren 2010 bis 2020 gefühlt dem Thema mehr angenommen. Sicherlich wird immer noch einiges getan, aber es scheint ein wenig zu stagnieren. Die Gegenfrage sollte sein: Was ist denn immer die „ideale Ladungssicherung“ im Paketdienst? Gibt es diese überhaupt?

Man muss sich vorstellen, dass im Paketdienst grundsätzlich „Tetris für Erwachsene“ gespielt wird. Pakete in allen Größen und Formen, dann eine Teppichrolle, der Autoreifen und zusätzlich noch Gefahrgut, was besonders behandelt werden soll. Wie will die beladende Person oder das Fahrpersonal da immer die perfekte Ladungssicherung definieren?

Bei all unseren Richtlinien und Gesetzen bin ich immer noch ein Freund von Theorie und Praxis. Sicherlich gibt es eine Menge Regeln, aber man muss sich überlegen, wie in einem Kastenwagen für die Zustellung die Ladung richtig gesichert werden kann. Und da glaube ich, dass die allermeisten einen guten Job machen.

Ladungssicherung ist das eine, faire Arbeitsbedingungen sind das andere. In den vergangenen Jahren hat die Sendungsmenge deutlich stärker zugelegt als die Zahl der Beschäftigten in der KEP-Branche. Wird die zunehmende Menge an Paketen buchstäblich auf dem Rücken der Zusteller ausgetragen?

Gerade kürzlich hat mein ehemaliger Arbeitgeber entschieden, dass in Deutschland 1.500 Mitarbeitende das Unternehmen wegen sinkender (!) Mengen verlassen sollen. Es wird sogar darüber nachgedacht, dass Depots schließen sollen. Schon zu meiner Zeit war klar, dass neben den Mengen auch die gesamte Infrastruktur angepasst werden muss. Und das genauso linear wie die Paketmengen. Ich glaube, manchmal wurde das nicht parallel zueinander getan.

Was sind faire Arbeitsbedingungen? Wenn schon die Transportunternehmer für möglichst kleines Geld die Pakete zustellen müssen? Wenn beim Fahrer so viel ankommt, dass er zusätzlich Gelder beantragen muss? Wenn der Overhead immer weiter wächst und immer mehr Kosten „verschlingt“? Das ist ein so komplexes Thema, dass hier alleine ein ganzer Beitrag mit gefüllt werden könnte.

Paketzusteller ist ein wahrer Knochenjob und oft lässt die Bezahlung zu wünschen übrig. Bringen die Arbeitgeber ihren Beschäftigten nicht die richtige Wertschätzung entgegen?

Ich glaube, dass die Transportunternehmer, die ja meistens zwischen Paketdienst und Zustellpersonal sind, das machen, was möglich ist. Natürlich gibt es auch dort „schwarze Schafe“. Aber die allermeisten werden finanziell durch die Paketdienstleister so kurz gehalten, dass die gar nicht mehr geben können. Die steigenden Preise werden nicht weitergegeben.

Sollten nicht auch die Empfänger mehr Wertschätzung zeigen? Laut einer Online-Umfrage wäre nur jeder Fünfte bereit, für faire Arbeitsbedingungen von Paketzustellern (nur) einen symbolisch gewählten Euro zu zahlen. Die Mehrheit will diese Mehrkosten nicht übernehmen.

Ich kenne sogar eine Umfrage mit nicht mal 5 Prozent Bereitschaft. Aber so ist es doch gerade: Wir wollen alle alles und totalen Luxus, ohne dafür zu bezahlen. Warum sollte es dann bei der Bestellung gemacht werden? Seit dem Werbespruch „Geiz ist Geil“ ist das ganz schlimm geworden. Mein persönlicher Eindruck ist, dass wir seitdem alles nur noch versandkostenfrei haben wollen. Die Retouren natürlich auch. Am Ende jeder Kette muss aber jemand diese Zeche bezahlen.

Im Restaurant haben wir uns dran gewöhnt und geben Kellnern regelmäßig Trinkgeld, immerhin drei von vier Deutschen machen das. Auch Friseure (60 %) und Taxifahrer (gut 40 %) bekommen es. Aber gerade mal jeder zwölfte Deutsche (nur 8 Prozent!) hat für Paketzusteller regelmäßig ein Trinkgeld parat. Wenigstens jetzt zum Fest der Liebe und Besinnung könnten es doch mehr sein!?

Im Restaurant etc. habe ich meinen Dienstleister direkt vor der Nase und kann mit ihm sprechen. Das ergibt eine gewisse emotionale Bindung. Die zustellenden Personen übergeben uns ein Paket, in der Regel sogar ohne Unterschrift mal eben. Manchmal müssen wir es auch irgendwo abholen. Wie soll das mit dem Trinkgeld denn funktionieren? Bei den Zustellern wechselt oftmals das Personal, meinen Friseur kenne ich aber schon seit vielen Jahren.

Wie realistisch ist es für dich, dass wir in fünf Jahren wieder ein Interview führen, dann aber über hoffentlich verbesserte Arbeitsbedingungen und gestiegene Wertschätzung sprechen?

Gar nicht! Alleine die politischen Entscheidungen machen es doch schwer. Die aktuelle Mauterhöhung wird die Preise massiv verändern, aber den Zustellern keine bessere Entlohnung bringen. Da für die Konsumenten die Preise aber steigen werden, bleibt die Frage, ob sie weiterhin intensiv bestellen werden. Oder werden sie die „Taler“ zusammenhalten wollen. Im Augenblick glaube ich eher Letzteres.

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Ein Gedanke zu „Mehr Wertschätzung für Paketzusteller – ein Weihnachtsmärchen?

  1. Paketzusteller. Da muss man ein wenig in die Vergangenheit schauen. Es gab eine Zeit wo man eine festen Postboten hatte. Den kannte und vertraute man. Der bekam zu Ostern Weihnachten sein Tipp bzw. Präsent. Dan wurden die Zustellbezirke vergrößert und die Leute unter Druck gesetzt. Dann wechselten ständig die Zusteller.
    Heute gibt es eine Vielzahl von Firmen deren Personal nicht mal der deutschen Sprache mächtig ist, geschweige eine Abstellerlaubnis umsetzen können. Die Beschwerden nehmen ständig zu und ich glaube nicht das in naher Zukunft sich daran etwas ändern wird. Aufgrund der steigenden Kosten wird die Zukunft der Paketzusteller sich ändern. Ob es besser wird weiß ich nicht.
    Selbst wenn er Tipp kriegen sollte ist das teilweise nicht möglich weil der persönliche Kontakt nicht mehr da ist. Die Müllwerker haben früher auch immer was bekommen. Ist offiziell denen nicht mehr erlaubt anzunehmen. Die Wertschätzung bleib auf der Strecke. Das ist aber nicht die Schuld des Paket Empfängers.
    Thema Ladungssicherung in Fahrzeugen der Paketzustellung.
    Den meisten Überwachungsbehörden interessiert das überhaupt nicht außer einigen Streifenhörnchen ,welche sich mit der Materie nicht auskennen. Wenn der Wagen eine Trennwand zum Fahrgastraum hat und der Kastenaufbau geschlossen. ist die Gefährdung dritter ausgeschlossen und somit die Kontrolle was die Dringlichkeit angeht einfach über. Will lediglich feststellen das von anderen Transporten eine größere Gefahr ausgeht. Kenne keinen Unfall eines Paketzustellers aufgrund unzureichende Ladungssicherung.

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